Vor nicht allzu langer Zeit hat meine Bekannte Lea von einem unschönen Erlebnis mit ihrem Vorgesetzten erzählt:
Sie ist als Sozialpädagogin an einer Grundschule tätig und der Direktor der Schule kann vor allem eins ziemlich gut: „lästige“ Aufgaben delegieren.
Nun war es wieder soweit: Er trug meiner Bekannten in der letzten Konferenz vor dem gesamten Team eine Aufgabe zu, die definitiv nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Immer wieder kam dieses Verhalten bereits in der Vergangenheit vor – und sie nahm die Aufträge vor allem zu Beginn ihrer Tätigkeit auch um des “lieben Friedens” willen mehr oder weniger bereitwillig an, in dem Bewusstsein, zumindest in ihrem, daß es sich hier um ein großzügiges Entgegenkommen ihrerseits handelt.
Lea wollte dies aber nicht mehr hinnehmen und entgegnete ihm mit adäquaten Argumenten und einer starken Haltung.
Seine Reaktion im weiteren Verlauf: Er sagte ihr, dass sie miteinander ein Problem haben werden, wenn sie seine Anweisungen ablehnen würde. Er ignorierte Lea, grüßte sie nicht mehr, sprach sie nicht mehr an und wenn sie ihn ansprach, reagierte er deutlich abweisend und seine gesamte Mimik und Körpersprache signalisierten pures Unwohlsein, passive Aggressivität und Ablehnung.
Des Weiteren nannte er ihren Namen ganz offensichtlich nicht mehr bei Projekten, an denen sie federführend beteiligt war und benannte nur die weiteren Kollegen. Er gab für sie wichtige Dokumente nicht mehr – wie in der Vergangenheit – im Original weiter, sondern nur noch das Nötigste in Kopie – die Originale behielt er bei sich.
Nie ganz offensichtlich, aber immer so, dass sie deutlich zu spüren bekam, wer hier im Machtgefälle an welcher Position steht.
Die ganze Situation war ihr äußerst unangenehm und sie wusste nur eins: sie löste unbeschreiblich unschöne Gefühle in ihr aus, die sie nur zu gut aus ihrer Vergangenheit kannte. Und sie fragte sich vor allem eins:
Warum geriet sie immer wieder an solche Menschen und wieso denken diese, sich erlauben zu können, so mit ihr umspringen?
Ihre erlernte und altbekannte Wohlfühl-Strategie hätte folgendermaßen ausgesehen: Sie hätte einfach abgewartet, wäre ihrem Vorgesetzten und seinen unausgesprochenen Signalen entsprechend eine gewisse Zeit aus dem Weg gegangen und hätte das Thema nie wieder erwähnt, bis „Gras über die Sache gewachsen wäre“ – ein typisches Vermeidungsverhalten.
Doch diesmal wollte Lea es anders machen: Sie überwand sich und suchte von sich aus das Gespräch mit dem autoritären Direktor, dass sie gut vorbereitet hatte. Sie sagte ihm z.B., dass sie unzufrieden ist und sich unwohl damit fühle, wie der Prozessverlauf abgelaufen sei. Dass sie in unterschiedlichen Positionen und mit unterschiedlichen Professionen nicht zwangsläufig immer einer Meinung sein müssen. Dass sie ihn sicher nicht persönlich angreifen oder verletzen wollte. Und wie wichtig es ihr ist, dass sie mit ihm in der Zukunft einen Weg der Zusammenarbeit findet, der für beide Seiten möglichst angenehm und effektiv ist. Alles sehr wertschätzend und respektvoll – ganz nach dem Lehrbuch der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg (das Vier-Schritte-Modell wurde im letzten Newsletter Beitrag detailliert beschrieben).
Ob sich an der Situation und am Verhalten des Direktors etwas geändert hat? Nein. Er tat es als Missverständnis ab.
Aber Lea ging es deutlich besser nach diesem Gespräch. Weil sie sich getraut hatte, auf ihren Vorgesetzten zuzugehen, ihre Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen zu benennen, weil sie alles offen kommuniziert hat, was ihr wichtig war, ohne dabei jemanden anderen zu verletzen oder abzuwerten.
- Das kannst auch du lernen und deine altbekannten Verhaltensmuster ändern. Damit du selbstbestimmt Konflikte und Herausforderungen angehen kannst. Mit mehr Selbstbewusstsein, passenden Tools und Techniken und Mut.
Unser Berufsleben
Unser gesamtes Berufsleben ist von sozialen Beziehungen und dem Umgang miteinander geprägt. Beziehungen zu Kollegen, Beziehungen zu Vorgesetzten, Beziehungen zu Kunden. Wie wir diese Beziehungen gestalten und wie sie von anderen mit uns gestaltet werden, hängt vor allem von einem ab: unserem erlernten Beziehungsmuster der Vergangenheit.
In der Psychologie ist das Bindungsverhalten der zentrale Aspekt menschlicher Beziehungen. Dies betrifft sowohl das Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern (früheste Bindung), als auch spätere Bindungen zu anderen Menschen, sowie sämtliche Arbeitsbeziehungen im Verlauf des weiteren Lebens.
Nach dem frühesten Bindungskonzept des britischen Psychiaters und Psychoanalytikers John Bowlby aus den 1950er Jahren ist „das Bindungsverhalten grundlegend für die soziale Entwicklung und mentale Gesundheit des Einzelnen und beginnt bereits kurz nach der Geburt. Alle Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Kultur, verfügen über inhärente und angeborene Bindungsverhaltenssysteme, die ihnen dabei helfen, in Zeiten von Bedrohung oder Stress Überleben und Schutz zu sichern. „Es ist ein biologisch angepasster Mechanismus, der darauf ausgerichtet ist, Nähe und Kontakt zu einer primären Bezugsperson und damit Schutz und Sicherheit zu gewährleisten.“
Die vier Typen der Bindungstheorie und Kennzeichen späteren Verhaltens:
Unsicher-vermeidend:
Menschen mit unsicher-vermeidendem Bindungsverhalten vermeiden Kontakt mit Bezugspersonen, suchen wenig Interaktion und gehen auf Distanz, vor allem wenn es unangenehm wird. Sie verwenden gerne Kritik und Ablehnung ggü. Anderen. Sie neigen dazu, eigene emotionale Bedürfnisse zu unterdrücken, können diese nicht benennen und vermeiden es, bei Stress nach Nähe, Komfort und Unterstützung zu suchen.
In ihren Beziehungen haben sie Schwierigkeiten, Nähe zuzulassen und ziehen es vor, unabhängig zu sein und emotionalen Abstand zu wahren.
Unsicher-ambivalent:
Der unsicher-ambivalente Beziehungstyp ist gekennzeichnet durch folgende Widersprüchlichkeit: Sehnsucht nach Nähe bis hin zu übermäßigem „Klammern“ bei gleichzeitigem Widerstand, Misstrauen und Ängstlichkeit.
Menschen mit einem solchen Bindungsverhalten sind oft unsicher, ob ihre Bezugspersonen verfügbar und zuverlässig sind. Sie haben häufig ein sehr niedriges Selbstwertgefühl und Angst vor Trennung, Zurückweisung oder Ablehnung und sind sehr sensibel für entsprechende Anzeichen. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Bedürfnisse und Wünsche auszudrücken und fühlen sich in Beziehungen häufig unsicher und verwirrt und kennen kein gesundes Gleichgewicht zwischen Nähe und Unabhängigkeit. Sie sind überwiegend anhänglich und suchen nach häufiger Bestätigung und Rückversicherung.
Desorganisiert:
Bei diesem Bindungstyp ist das Beziehungsverhalten gekennzeichnet von Inkonsistenz, Widersprüchlichkeit und sehr verwirrendem Verhalten. Betroffene Personen sind nicht in der Lage, auch nur annähernd Vertrauen und Sicherheit in Beziehungen zu finden und ihre Vielzahl und das Chaos an auftretenden Gefühlen zu regulieren. Sie handeln unvorhersehbar und unberechenbar.
Unsicher gebundene Personen können Schwierigkeiten in Bezug auf Selbstwert, Emotionsregulation und Sozialverhalten entwickeln und kompensieren dies häufig auf sehr ungesunde Art und Weise. Sei es durch Machtmissbrauch, Suchtmittelkonsum o.ä.
Sicher:
Menschen mit sicherem Bindungsverhalten sind geprägt von Vertrauen und Sicherheit und komfortabel in Beziehungen. Es herrscht eine gute Balance zwischen Nähe/Intimität und Distanz in Beziehungen und Bedürfnisse, dahingehend wird klar kommuniziert. Bei Unsicherheit, Ängsten oder Krisen verfügen diese Personen über angemessene Kompensationsstrategien.
Sie entwickeln tendenziell höhere Selbstwirksamkeitserwartungen, ein gesünderes Selbstwertgefühl und positiveres Selbstbild und erfolgreichere zwischenmenschliche und Arbeitsbeziehungen.
Vorgesetzte mit überwiegend sicherem Beziehungsmuster bringen die besten Führungsvoraussetzungen für eine angenehme Arbeitsatmosphäre und einen wohlwollenden Umgang im Unternehmen mit.
Du möchtest mehr darüber erfahren und erkennen, welcher Bindungstyp du bist, damit deine privaten und beruflichen Beziehungen gesünder und glücklicher verlaufen?
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Soweit die Theorie…
Sicher ist dieses Modell sehr kategorisch und nicht mehr brandaktuell. Und natürlich ist die Welt und Psychologie nicht nur „schwarz-weiß“ – es ist ein Erklärungsversuch für Phänomene, die unterbewusst und menschlich automatisiert passieren und nicht immer 1:1 auf jede Person übertragbar sind bzw. auch Anteile verschiedener Muster in sich vereinen können.
Die Bindungstheorie liefert aber bedeutende Grundlagen und Grundkenntnisse für die weitere Beziehungsforschung bis heute. Und: sie hilft uns, Verhaltens- und Kommunikationsstrategien des Gegenübers besser einzuordnen (wie im Beispiel mit dem Direktor), bei Meinungsverschiedenheiten weniger emotional zu reagieren und unser eigenes Beziehungsmuster und Konfliktmanagement zu hinterfragen und bestenfalls zu reformieren.
Ansonsten ist folgendes vorprogrammiert: Wir übertragen unsere erlernten Bindungserfahrungen wie ein wiederkehrendes Muster immer und immer wieder auf sämtliche Beziehungen und unangenehme Situationen in unserem Leben. Wir projizieren die frühesten Erfahrungen – die mit unseren eigenen Eltern bzw. nächsten Bezugspersonen – und sämtliche damit zusammenhängende, ungeklärte intrapersönliche Beziehungs-und Familienkonflikte auf alle weiteren sozialen Konstellationen in unserem Leben. Im Berufsleben genauso wie in der Partnerschaft, in der Beziehung mit den eigenen Kindern wie auch in Freundschaften.
Wir geraten immer wieder an Menschen, Freunde, Arbeitgeber, Kollegen die genauso mit uns umgehen, wie wir es gewohnt sind und zulassen. Und manövrieren uns immer wieder, unbewusst und innerlich angetrieben, in die immer gleichbleibenden, häufig für uns ungesunden Muster in der Hoffnung, dass es doch irgendwann einmal anders ablaufen wird. Wir merken, dass unsere mentale Gesundheit leidet, Unmengen an Energie verloren gehen und eins ganz sicher nicht passiert: Es sich von selbst ändern wird.
Die gute Nachricht: Der erworbene Beziehungsstil ist kein dauerhafter Zustand. Es ist ein Prozess, der mit all unseren hinzukommenden Erfahrungen einer ständigen Weiterentwicklung unterliegt. Mit Hilfe und Unterstützung können alle Menschen befähigt werden, gesunde und erfüllende Beziehungen, auch im Berufsleben, zu führen.
Für eine erste Auseinandersetzung hilft es, folgende Themen näher zu betrachten:
- Analyse des eigenen Beziehungsmusters und Auseinandersetzung damit
Von welchem Bindungstypen sehe ich die meisten Anteile bei mir und warum?
Welche schmerzlichen Erfahrungen habe ich in meinen bisherigen Beziehungen gemacht?
Wie bin ich damit umgegangen?
Welche wiederkehrenden Abläufe und Muster kann ich erkennen?
Welche neuen, anderen Möglichkeiten gäbe es?
Wie möchte ich künftige meine (Arbeitsbeziehungen / meine Führung gestalten?
- Sich ehrlich nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen fragen
Welche Wünsche habe ich in Bezug auf meine Sozialen – und Arbeitsbeziehungen?
Bringe ich überhaupt selbst die dafür notwendigen Kompetenzen mit?
Was brauche ich, um mich wohlzufühlen und mich weiterzuentwickeln?
Bietet mein momentanes Arbeitsumfeld dafür eine realistische Chance?
Bin ich da, wo ich sein möchte?
Welche Möglichkeiten der Veränderung gibt es für mich?
- Eine klare, aber wertschätzende und respektvolle Grundhaltung einnehmen und „The Key“: Kommunikation und Humor
Wenn man sich seinen Wünschen und Bedürfnissen klar bewusst ist, kann man diese auch klarer und authentischer vertreten. Und man muss sie kommunizieren, so meine Erfahrung: Jeder hat seine eigene Wahrnehmung und Gedankenlesen funktioniert nicht – egal ob unter Kollegen oder gegenüber einem Vorgesetzten.
Und nicht zu vergessen: Humor. Menschen, die miteinander lachen können, arbeiten auch besser zusammen. Humor stärkt den Teamgeist und das Wohlbefinden aller und erleichtert so die Zusammenarbeit.
Wir alle sind Menschen. Und trotz unterschiedlicher Positionen, unterschiedlichem Geschlecht, unterschiedlicher Herkunft und Status hat es jeder Einzelne verdient, wertschätzend seine ehrliche Meinung sagen zu dürfen, mit Respekt behandelt und in seinen Bedürfnissen ernst genommen zu werden. Ganz egal, wie andere Menschen es von ihrem Elternhaus oder in ihrer Kindheit gelehrt bekommen haben. Die Veränderung fängt bei einem selber an: vor allem auch durch ein positives, anderes Vorbild wird unser Gegenüber dazu angeregt, seine bisherigen Muster und Strategien zu überdenken.
Wenn Sie selbst beruflich unzufrieden sind, biete ich Ihnen meine Unterstützung bei der Suche nach Ursachen und möglichen Lösungen.
Oder aber Sie erkennen ungesunde Beziehungsmuster in ihrem Unternehmen und möchten diese verbessern oder bestenfalls auflösen?
Wenn Sie Ihre erlernten Beziehungsmuster und damit zusammenhängende Schwierigkeiten am Arbeitsplatz identifizieren und neue Wege der Beziehungsgestaltung beschreiten möchten, dann vereinbaren Sie gleich jetzt einen Kennenlerntermin mit mir.
